ich liebe meine stadt!
auf jeden menschen in Wien kommen rund neun tauben und ebenso viele ratten. beherzte ältere damen kochen eigens für sie und schütten ihnen schon morgens um vier das futter hin, um nicht von erbosten nachbarn beschimpft zu werden. während wir schlafen, sind also gute geister in der stadt am werk und sorgen für stete vermehrung unserer tierischen einwohner.
weitgehend unbemerkt vermehren sich nicht nur ratten und tauben in der stadt, sondern auch elektronische geister. sie sitzen in ihren türmen, die wir handymasten nennen, und erfassen, was rundherum vorgeht. wer mit seinem handy an so einem geisterturm vorbeigeht, wird registriert - wie etwa rumänische juwelendiebe nach einem einbruch in der Wiener city zu ihrem nachteil feststellen mussten. die geister verfolgen uns auf all unseren wegen durch die stadt, sie wissen immer wo wir uns aufhalten. und sie werden immer mehr.
in den USA steigen pro monat 700.000 festnetzkunden auf handys um. 25% der haushalte verfügen über keinen festnetzanschluss mehr. die kleinen geister in den handys schließen sich immer enger an den GroßenGeist an, ans internet!
er macht die ganze welt zu einer stadt und lässt die distanzen, also das land verschwinden. in handys und internet existiert eine virtuelle, weltweite stadt weitgehend ohne uns - so wie tauben und ratten, gefüttert von ein paar Cyberdamen.______________________
ich liebe die natur!
solange sie nicht allzu natürlich ist und ich sie in angemessener zeit oder in wenigen minuten wieder verlassen kann.
die natürliche umgebung in der ich grad sitze und aus vollem herzen genieße, ist im Wiener Prater, in der "Meierei", samt der musik und dem gedämpften getöse des ringelspiel/riesenrad/schaubuden-wurstelpraters, dem seltsamen duft der schweinshaxen vom "Schweizerhaus", dem wilden bikerverkehr auf der hauptallee und den idyllischen ausblick zum konstantinhügel und den kleinen see davor mit seinen wildenten und schwänen. ich bin eine großstadtdschungelpflanze, ich gestehe.
wenn mir jemand mit leuchtenden augen was von zwei wochen strandurlaub "menschenleere strände" oder "sonnenbaden" oder "4stunden bergtour aufstieg samt gipfelerlebnis" sowie camping und biwak erzählt, löst das bei mir panikattacken aus, angst mich zu tode zu langweilen.
(by Visa)
gleich ruf ich den kellner und bestelle mir ein glas champagner - ich hab was zu feiern und proste mir selber zu: santè! mazel tow! prosit! santè!
